Die Stadt Stutensee hat den Regionalverband Mittlerer Oberrhein kontaktiert, um die Grünzäsur zwischen Blankenloch und Büchig um 11,6 Hektar für Siedlungsflächen zu verkleinern. Es wurden mehrere Gespräche zwischen der Stadt Stutensee und dem Regionalverband im Rahmen der Flächennutzungsplanfortschreibung geführt. Basierend auf vertieften städtebaulichen Untersuchungen wurden die potenziellen Entwicklungen im Stadtteil Blankenloch/Büchig erörtert. Die Stadt argumentierte, dass sie zusammen mit der Politik, den übergeordneten Behörden und den Bürgern im Rahmen des Stadtentwicklungsplans einen öffentlichen Planungs- und Entscheidungsprozess für die Wohnbauflächen durchführen werde. Das Ziel sei es, die bisherige Flächenkulisse neu zu überdenken und an geeigneter Stelle auszuweisen, wobei Aspekte wie Klima und Bevölkerungswachstum berücksichtigt werden sollen.
Der RMVO hat sich offensichtlich von den Argumenten der Stadt Stutensee einlullen lassen und ist eingeknickt. Er weist für Stutensee im neuesten Entwurf des Regionalplans (s.o.) die eingekreiste Fläche in der jetzigen Grünzäsur als mögliche Siedlungsfläche aus.
Derzeit wird der gültige Regionalplan für die Region Mittlerer Oberrhein fortgeschrieben und der Entwurf mit der neuen Siedlungsfläche ist auf der Webseite des RMVO offen gelegt. In dieser zweiten Offenlegung des Planentwurfs wird die Öffentlichkeit angehört. Jeder kann bis spätestens 22.03.2024 eine Stellungnahme zu den geänderten Inhalten des Planentwurfs beim Regionalverband Mittlerer Oberrhein einreichen. Die Stellungnahme der Bürgerinitiative liegt dem RVMO bereits vor. Falls Sie die Grünzäsur im derzeitigen Zustand erhalten wollen und gegen eine Bebauung sind, empfehlen wir ebenfalls rechtzeitig eine Stellungnahme beim RVMO einzureichen. Es handelt sich nämlich bisher lediglich um einen Entwurf, dessen Änderung immer noch möglich ist. Sie können für Ihre Stellungnahme gerne Argumente der nachfolgenden chronologischen Zusammenstellung entnehmen.
Die Zusammenstellung beleuchtet die Suche nach Flächen für Siedlungserweiterungen in Stutensee. Aufgrund zahlreicher Gemeinderatsbeschlüsse in den letzten Jahren ist die Angelegenheit komplex geworden, und die derzeitigen Festlegungen sind für die Öffentlichkeit nicht mehr nachvollziehbar. Hinzu kommt, dass viele Entscheidungsprozesse hinter verschlossenen Türen stattfinden. Diese erinnern an vergangene Ereignisse vor dem Bürgerentscheid 2018, z. B. die städtische Vorgehensweise zur Bestimmung von Flächen für die Siedlungserweiterung in der Grünzäsur zwischen Blankenloch und Büchig. Damals wurden zur Schaffung neuer Wohngebiete hinter dem Rücken der Bevölkerung Absprachen mit anderen Behörden getroffen, wie es jetzt wieder der Fall ist. Beide Fälle betreffen die gleichen Gebiete am südlichen Ortsrand von Blankenloch, damals zusätzlich einen Teil des Lachwalds, wodurch erhebliche Eingriffe in die Natur sowie Flächenverluste drohten.
Der erfolgreiche Bürgerentscheid zum Erhalt des Lachwalds am 18.02.2018 vereitelte jedoch die Pläne der Stadt. Es ging um den in der Grünzäsur liegenden Lachwald, aber auch um Wertschätzung und Erhalt der grünen Oase als Naherholungsraum zwischen Blankenloch und Büchig.
Hilfreich zur Aufklärung der Bürgerschaft war hierzu unter anderem die offizielle Informationsbroschüre der Vertrauenspersonen des Bürgerbegehrens 2017 nach der Gemeindeordnung BW in der Stutensee-Woche, die an alle Haushalte in der Stadt verteilt wurde. Bereits darin wurde der Erhalt der Grünzäsur gefordert. Es war aufgeführt, dass diese bereits durch die letzte Bebauung „Hohe Eich“ angegriffen wurde und nicht noch weiter verkleinert werden dürfte. Die Ausweisung der Grünzäsur war einst das Ergebnis umfangreicher Analysen. Es gilt ein Bauverbot, weshalb sie als Freiräume zu sichern sind, damit das Zusammenwachsen von Siedlungen verhindert wird. Sie sollen die Möglichkeit als Naherholungsgebiet bieten und ortsnahe ökologische Ausgleichsfunktionen erfüllen. Sie dienen der Durchlüftung zwischen Ortsteilen und müssen die Durchgängigkeit des regionalen Biotopverbunds gewährleisten.
Satellitenbilder zeigen, dass die zwischen Blankenloch und Büchig liegende Grünzäsur die letzte Möglichkeit für Tiere und Pflanzen ist, um von Westen nach Osten zu wandern, vom Hardtwald zum Weingartener Moor – Grötzinger Bruchwald, da es südlich davon keinen Übergang mehr gibt. Der Verbund von Lebensräumen ist für das Schutzgut Tiere, Pflanzen und biologische Vielfalt von besonderer Bedeutung. Infolge der durch den Klimawandel zu erwartenden Veränderungen der Lebensraumbedingungen und dem daraus resultierenden Wanderverhalten von Arten kommt den grünen Oasen mit „Trittsteinfunktion“ eine besondere Bedeutung zu. Nördlich von Karlsruhe verbindet der Korridor die Wälder des Kraichgaus mit den Rheinauen. Werden diese Flächen mehr und mehr verkleinert, verlieren sie ihre Funktion. Deshalb ist die Zunahme der Siedlungsflächen eine der Hauptursachen für den Rückgang der Arten und den Verlust von Lebensräumen.
Daraus resultierend präsentierte die Bürgerinitiative den Stadtverantwortlichen nach dem Bürgerentscheid am 01.03.2018 ein Positionspapier für zukünftige Bauvorhaben. Die darin enthaltene Forderung zur Herausnahme der Lachwaldfläche sowie der in der Grünzäsur liegenden Flächen zwischen Blankenloch und Büchig und der Flächen des Landschaftsschutzgebiets östlich des Steinwegs wurde von der Stadt geprüft.
Außerdem war dem Protokoll über die Sitzungsvorlage des Regionalverbands Mittlerer Oberrhein 76/IX vom 05.10.2016 zu entnehmen, dass zum damaligen Zeitpunkt eine durch Bebauung reduzierte Grünzäsur die Funktion der Siedlungsgliederung nicht mehr ausreichend erfüllen könne. Deshalb wurde aus regionalplanerischer Sicht nicht zugestimmt! Wie gesagt, zum damaligen Zeitpunkt…
Des Weiteren positionierten sich damals Anwohner der Hohen Eich eindeutig und teilten dies der Stadtverwaltung mit.
Am 23. April 2018 beschloss der Gemeinderat die Herausnahme aller von uns geforderten Flächen. Zusätzlich wurde die Einrichtung eines allgemeinen Flächenpools sowie die Einführung eines Bürgerbeteiligungsformats für eine Neukonzeption festgelegt. Dieser Schritt ermöglichte es der Stadt, sich Zeit für die Entwicklung einer Lösung zu nehmen. Sämtliche vom Gemeinderat herausgenommenen Flächen in Blankenloch und Büchig, insgesamt 18,2 Hektar, wurden in einem sogenannten "Flächenpool" zusammengefasst. In der Begründung zum Beschluss wurde verankert, den Umgang mit diesem Flächenpool in einem neuen Prozess zu bearbeiten und dass dabei die Ergebnisse und die Erfahrungen aus den Perspektivwerkstätten einfließen sollen. Ein Ergebnis war, dass die Grünzäsuren erhalten werden sollen. Vielleicht deshalb die aktuell aufgedeckte Geheimniskrämerei.
Die Flächen in den nördlichen Stadtteilen blieben gemäß den ursprünglichen Entscheidungen des Gemeinderats unverändert.
Positiv zu bewerten war, dass ein erfahrenes Beteiligungsbüro beauftragt wurde, für Stutensee die Bürgerbeteiligung zu konzeptionieren und in dem Format einer Planungswerkstatt an mehreren Abenden, die hier Perspektivwerkstätten genannt wurden, durchzuführen. Der strukturierte Prozess bot den ausgewählten und geladenen Bürgerinnen und Bürgern die Gelegenheit, die Rahmenbedingungen zur Gestaltung der "Zukunft Wohnen in Stutensee" in einer Empfehlung an den Gemeinderat zu formulieren.
Die vorgestellte Bürgerempfehlung zeigt deutliche Handlungsempfehlungen. Unter anderem wird die Erhaltung von Grünzäsuren betont sowie das Vorantreiben eines Ausgleichsflächenkonzepts als Voraussetzung für eine nachhaltige bauliche Entwicklung befürwortet. Flächensparende Baumaßnahmen wie Mischbebauung und Mehrgeschossigkeit werden ebenfalls unterstützt.
Beispielhaft folgt ein Auszug aus der Empfehlung der Ergebnisse der Arbeitsgruppe IV Naturschutz/Grün- und Freiflächen/Naherholung. Gemäß Ziffer 1 soll die Erhaltung von Grünzäsuren gewährleistet bleiben. Die Ziffern 9 und 10 empfehlen, das Ausgleichsflächenkonzept voranzutreiben als Voraussetzung für eine nachhaltige bauliche Entwicklung. Flächensparende Baumaßnahmen wie Mischbebauung und Mehrgeschossigkeit werden befürwortet.
Für Interessierte die komplette Bürgerempfehlung zum Lesen oder Download:
Es folgte ein weiteres Beteiligungsverfahren. Im Februar 2020 beschloss der Gemeinderat der Stadt Stutensee die Ausarbeitung eines Stadtentwicklungsplans mit dem Zielhorizont 2035 (STEP 2035). Der Plan sollte als langfristiges und ganzheitliches Strategiepapier dienen und eine Einbindung der Bürgerinnen und Bürger, des Gemeinderates und der Verwaltung ermöglichen. Der Start erfolgte über eine Online-Plattform. Im Herbst 2022 folgten öffentliche Veranstaltungen, die aber auf geringe Resonanz stießen. Kein Wunder, die Bürgerschaft engagierte sich bereits bei der Ausarbeitung der Bürgerempfehlung. 400 Teilnehmer nahmen damals an der Auftaktveranstaltung der Perspektivwerkstatt „Zukunft Wohnen in Stutensee“ teil.
Ende Juni 2023 wurde beschlossen, für das aus dem STEP 2035 definierte Schlüsselprojekt "Flächenpool" einen weiteren, extern begleiteten Prozess mit einem externen Büro für Stadtplanung durchzuführen. Ziel war es, ein möglichst einvernehmliches Meinungsbild und eine räumliche Verortung zu schaffen.
Nachdem eine einvernehmliche Lösung im Rahmen von Werkstattprozessen gescheitert war, wurde in der letzten Gemeinderatssitzung im Februar eine Fläche von rund 16 Hektar für mögliche Wohnbebauung in Blankenloch, südlich der Eggensteiner Straße, westlich der Bahn, für den Flächennutzungsplan durch Beschluss angemeldet. Eine ernsthafte Bebauung des Gebiets ist nicht geplant, obwohl es sich um eine regionalplanerisch abgestimmte Siedlungserweiterungsfläche handelt. Diese hatte die Stadt bereits früher im Visier, die Planungen jedoch aufgegeben. Jetzt wurde das Gebiet reaktiviert, soll aber lediglich als Platzhalter dienen, nachdem übergeordnete Behörden den Flächenpool für beendet erklärt haben.
Meinstutensee.de berichtete darüber: Link
Die Vorgehensweise der Stadt hat bei den Kommentatoren auf meinstutensee.de Irritationen hervorgerufen, und viele können den Beschluss nicht nachvollziehen. Ein Kommentator bezweifelt bei einzelnen Stadträtinnen und Stadträten die Vertretung des Bürgerwillens und vermutet, dass parteipolitische Interessen Vorrang haben. Möglicherweise hat er recht, denn der taktische Schachzug der neuerlichen Beschlussfassung könnte darauf abgezielt haben, die wahren Absichten bezüglich anderer Vorhaben vor der Bürgerschaft zu verschleiern, um politische Vorteile zu erlangen. Es drängt sich der Verdacht auf, dass die wahren Absichten vor den anstehenden Gemeinderatswahlen verschleiert werden sollten, um keine Stimmen einzubüßen. Ein solches Vorhaben würde die ausgearbeitete Bürgerempfehlung ignorieren und den erklärten Bürgerwillen nicht respektieren. Klarheit über die Absichten kann nur durch transparente Aufklärung seitens der Verantwortlichen geschaffen werden – und zwar noch vor den Kommunalwahlen!
Grünzäsuren sind im Regionalplan des Regionalverbands Mittlerer Oberrhein (RMVO) verzeichnet, und der Regionalverband ist auch für die Gesamtfortschreibung des Regionalplans verantwortlich. Das nachfolgende Bild aus der Webseite des Regionalverbands dient gleichzeitig als Link zum RVMO:
Im Frühjahr 2021 fand die erste Anhörung zum Fortschreibungsentwurf statt, und die eingegangenen Stellungnahmen wurden ausgewertet, um den Planentwurf für die nun stattfindende zweite Anhörung zu erstellen.
Einem Protokoll aus 2016 des Regionalverbands Mittle rer Oberrhein ist zu entnehmen, dass eine durch Bebauung reduzierte Grünzäsur die Funktion der Siedlungsgliederung nicht mehr ausreichend erfüllen könne. Deshalb wurde damals einer Veränderung aus regionalplanerischer Sicht nicht zugestimmt. Obwohl sich aus landschaftlicher Sicht nichts geändert hat, eher der inzwischen spürbare Klimawandel in solche Entscheidungen mit einbezogen werden sollte, wurde in der 2. Offenlage zur Änderung des Entwurfs des Regionalplans eine Siedlungserweiterungsfläche im Stadtteil Blankenloch am südlichen Ortsrand vom Fleckensteiner Weg bis zur Hohen Eich im Entwurf zum 4. Regionalplan aufgenommen.
Die aktuelle Festlegung der Fläche durch den RVMO basierte auf Aussagen der Stadt, dass die Fläche direkt an einem Stadtbahn-Halt liegt und neben Wohnbebauung auch die Ansiedlung eines Nahversorgers geplant ist. Dem Entscheider beim RVMO war vermutlich nicht bekannt, dass sich in unmittelbarer Nähe beim Ortseingang von Blankenloch bereits ein Einkaufmarkt befindet. Ein weiterer an der nahegelegenen Kreisstraße in Büchig. Somit bietet ein dritter Einkaufsmarkt nicht unbedingt Vorteile, die eine Reduzierung der Grünzäsur rechtfertigen. Hingegen treffen die Nachteile die Bürgerschaft von Blankenloch mit Büchig mit dem Verlust eines stark frequenten Naherholungsgebiets, ebenso die Bewirtschafter des Ackerlandes sowie die dort vorkommenden Zauneidechsen, die dann nach Stutenseer geübter Art in eine Nachbargemeinde deportiert werden müssten.
Die Versprechen der Stadt gegenüber dem RVMO konnten bisher nicht eingehalten werden.
Die Bürgerschaft ist bis heute nicht durch die Stadt darüber informiert worden, dass eine Südbebauung in Blankenloch vorbereitet wird. Selbst eine einvernehmliche Lösung im Rahmen von Werkstattprozessen ist gescheitert. Der jüngste Gemeinderatsbeschluss zum „Flächenpool“ verdeutlicht die fragwürdigen Praktiken von Stadtverwaltung und Politik in Stutensee. Mit jetzigem Hintergrundwissen wird jedoch klar, dass viele im Gemeinderat beabsichtigen, den Bürgerwillen (Erhalt der Grünzäsur!) nicht zu respektieren. Es werden Scheinmanöver durchgeführt, um sich mit Wählerstimmen zu legitimieren und nach der Wahl weiterhin wie bisher handeln zu können. Gerade auch im Hinblick auf die anstehenden Kommunalwahlen stellt sich die Frage, wie sich die demnächst zur Wahl stehenden Kandidaten zu einer möglichen Bebauung in der Grünzäsur positionieren.
Weitere Flächen in Stutensee, bei denen Grünzäsuren wegfallen sollen
Der Flächenumfang der Gebiete im Entwurf zum Regionalplan für regionalplanerisch abgestimmte Siedlungserweiterungen in der Stadt Stutensee beträgt insgesamt 67,7 Hektar.
Mehr als die Hälfte der Flächen (37 Hektar) liegen ganz oder teilweise in Grünzäsuren, die damit wegfallen sollen. Hier der Ausschnitt der Raumnutzungskarte des Regionalplans für Stutensee:
Erläuterungen zur Raumnutzungskarte
Alle grau eingefärbten Flächen (67,7 ha) sind beabsichtigte Siedlungserweiterungen in Stutensee. Die von der Bürgerinitiative zusätzlich rot gekennzeichneten Flächen (37 ha) sind derzeit noch ganz oder teilweise Grünzäsuren. Diese Schutzgebiete sollen nach den Vorstellungen der Stadt Stutensee wegfallen. Details:
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